Übergabe von Liegenschaften an die nächste Generation hinsichtlich eines möglichen Bezuges von Ergänzungsleistungen – wie geht das?
In der Schweiz ist die Absicherung für das Alter und für Fälle von Krankheit oder Invalidität zentral. Neben den Leistungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der Invalidenversicherung (IV) gibt es die Ergänzungsleistungen (EL), die den finanziellen Bedarf decken, wenn Renten und andere Einkünfte nicht ausreichen. Gerade bei der Übertragung von Liegenschaften an die nächste Generation können Unsicherheiten entstehen, besonders im Hinblick auf Vermögensverzicht und eine mögliche Rückerstattungspflicht für Erben. Wann ist der richtige Zeitpunkt, eine Liegenschaft an die Kinder zu übergeben, und wie können Nachteile bei einem späteren Bezug von EL vermieden werden?
Die EL-Reform und Vermögensverzicht
Seit der EL-Reform vom 1. Januar 2021 wird das Vermögen von EL-Bezüger strenger berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat die Vermeidung von „Vermögensoptimierungen“ für EL-Bezüger verstärkt eingeschränkt, insbesondere bei Vermögensverzicht in den zehn Jahren vor dem EL-Bezug. Wird Vermögen kurz vor einem EL-Antrag verbraucht oder verschenkt, können die Ergänzungsleistungen gekürzt werden, da solche Handlungen als Vermögensverzicht gewertet werden (Art. 11a Abs. 4 ELG).
Selbstbewohntes Wohneigentum: Teilweise Privilegierung
In Bezug auf Immobilien sieht das Gesetz eine gewisse Privilegierung von selbstbewohntem Wohneigentum vor. Für EL-Bezüger gilt eine Vermögensschwelle von CHF 100'000 (Alleinstehende) bzw. CHF 200'000.00 (Ehepaare). Selbstbewohnte Liegenschaften werden jedoch bei der Berechnung dieser Vermögensgrenze nicht einbezogen (Art. 9a Abs. 2 ELG). Allerdings wird Vermögen, auf das verzichtet wurde, vollständig zur Berechnung herangezogen. Zudem wird für den Vermögensverzehr nur der Wertanteil der Liegenschaft berücksichtigt, der CHF 112'500.00 übersteigt (bzw. CHF 300'000.00 bei Ehepaaren, wenn einer im Heim lebt).
Selbstbewohnte Immobilien werden jedoch nicht von der Rückerstattungspflicht für rechtmässig bezogene EL-Leistungen an die Erben ausgenommen. Nach dem Tod des EL-Bezügers wird der Nachlass (einschliesslich der Liegenschaft) in die Rückerstattungsberechnung einbezogen, wenn der verbleibende Nachlass CHF 40'000.00 überschreitet. Für Erben kann dies im Extremfall die Annahme einer Erbschaft unattraktiv machen.
„Günstige“ Übertragung von Wohneigentum an Nachkommen
Falls das Ziel darin besteht, eine selbstbewohnte Immobilie ohne Rückforderungsansprüche an die Nachkommen weiterzugeben, ist eine Übertragung der Liegenschaft zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten sinnvoll. Denn die Rückerstattungspflicht der Erben entsteht erst aus dem Nachlass der zweitverstorbenen Person (Art. 16a Abs. 2 ELG). Dabei gibt es folgende Möglichkeiten:
- Verkauf der Liegenschaft an die Nachkommen: Um einen Vermögensverzicht zu vermeiden, sollte der Verkaufspreis (inkl. übernommene Hypotheken) mindestens 90 % des Marktwerts betragen. Im Kanton Luzern gilt der Repartitionswert als massgeblicher Marktwert.
- Abtretung mit Nutzniessungs- oder Wohnrechtsvorbehalt: Die Liegenschaft kann auch gegen Einräumung einer Nutzniessung oder eines Wohnrechts an die Nachkommen übertragen werden. Hier wird der kapitalisierte Jahreswert dieser Rechte als Teil der Gegenleistung angesehen. Solange die EL-beziehende Person die Liegenschaft selbst nutzt, wird der Mietwert oder, im Falle einer Vermietung, der Mietertrag als Einnahme angerechnet.
Ein Vermögensverzicht liegt nur dann nicht vor, wenn die Summe aus übernommenen Hypotheken und dem Kaufpreis oder dem kapitalisierten Wohnrecht bzw. Nutzniessungsrecht mindestens 90 % des Verkehrswertes (oder im Kanton Luzern des Repartitionswerts) beträgt. Andernfalls gilt die Differenz als Vermögensverzicht und kann die Höhe der EL-Leistungen beeinträchtigen.
Empfehlung und Fazit
Um mögliche Vermögensverzichtsberechnungen in der EL-Berechnung zu vermeiden, empfiehlt sich eine frühzeitige und faire Übertragung der Liegenschaft an die Nachkommen. Erfolgt die Übergabe rechtzeitig und zu marktnahen Bedingungen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass keine Kürzung der EL-Leistungen aufgrund eines Vermögensverzichts erfolgt. Zudem wird die Rückerstattungspflicht für Erben vermieden, da die Liegenschaft nicht mehr Teil des Nachlasses ist.
Die Übertragung von Liegenschaften an die nächste Generation kann eine wertvolle Möglichkeit sein, Vermögenswerte zu sichern und spätere finanzielle Belastungen für die Erben zu vermeiden. Die EL-Reform von 2021 hat den rechtlichen Rahmen für die Vermögensübertragung jedoch verschärft, was eine sorgfältige Planung notwendig macht. Die Spezialist:innen der Rudolf & Bieri stehen Ihnen für eine diesbezügliche Beratung jederzeit zur Verfügung.
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2. November 2024, Tania Teixeira