Sieg vor EGMR
Die Landesverweisung ist ein immerzu aktuelleres Thema in der Schweiz. Insbesondere in Fällen, in denen Personen nicht freiwillig ausreisen oder nicht ausgeschafft werden können, weil in deren Land Krieg herrscht oder weil die Personen als Flüchtlinge in die Schweiz gekommen sind, stellen sich komplizierte Rechtsfragen. Der EGMR (europäische Gerichtshof für Menschenrechte) hat nun im Fall, den Luzia Vetterli vertreten hat, entschieden, dass solche Personen nach längerer Anwesenheit trotz früherer Straffälligkeit Anspruch auf die neue Erteilung einer Bewilligung haben.
In dem konkreten Fall vertrat Luzia Vetterli den 83-jährigen Beschwerdeführer, welcher seit 54 Jahren in der Schweiz lebt. Nachdem er mehrere Male strafrechtlich verurteilt wurde, entzogen die Schweizer Behörden ihm die Aufenthaltsbewilligung im Jahr 2002. In den Folgejahren wurde er wiederholt aufgefordert, die Schweiz zu verlassen. Dieser Aufforderung kam er nicht nach und verlangte nach Jahren die Erteilung einer neuen Aufenthaltsbewilligung. Gegen den ablehnenden Entscheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde und prozessierte bis vor den EGMR. Er befand sich seit mehr als 20 Jahren als sogenannter Sans-Papiers in der Schweiz, verfügte lediglich über eine geringe AHV-Rente und lebte in bitterer Armut.
Der EGMR stellte das Interesse der Schweiz, ihre Rechtsordnung durchzusetzen, dem Interesse des Beschwerdeführers weiterhin in der Schweiz leben seinem Anspruch auf Privatleben nach Art. 8 EMRK gegenüber. Die Schweiz könne sich zwar darauf berufen, dass der Beschwerdeführer für längere Zeit illegal in der Schweiz gelebt habe und wiederholt straffällig wurde. Jedoch seien diese Gründe nicht ausreichend, wenn man die derart lange Aufenthaltsdauer, seine Erwerbstätigkeit und sein familiäres Umfeld, welches sich nur noch in der Schweiz befinde, beachte. Den Lebensmittelpunkt begründe der Beschwerdeführer seit vielen Jahren in der Schweiz. Bindungen in sein Herkunftsland Iran bestünden keine. Auch die Bemühungen der Schweiz den Beschwerdeführer auszuschaffen, seien unzureichend gewesen. Daher stellt der EGMR fest, dass durch die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung das fundamentale Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) verletzt wurde.